Patientinnen und Patienten haben einen Anspruch darauf, rechtzeitig vor einem Eingriff vom Arzt über die möglichen Risiken aufgeklärt zu werden – ein Mindestabstand zwischen Gespräch und Einwilligung muss aber nicht eingehalten werden. Das stellt der Bundesgerichtshof in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil klar. Wie schnell ein Patient nach ordnungsgemäßer Aufklärung seine Entscheidung treffe, sei grundsätzlich "seine Sache", so der BGH.
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Wer sich sieben Wochen in einem Land mit Linksverkehr aufhielt, handelt regelmäßig lediglich unachtsam und nicht rücksichtslos, wenn er bei seiner ersten Fahrt in Deutschland gegen das Rechtsfahrgebot verstößt. Deswegen stelle sein Verhalten keine fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung dar, die ein rücksichtsloses Handeln erfordere, so das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken.
Das Kündigungsverbot im Mutterschaftsgesetz beginnt auch weiterhin 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin. Dieser Zeitraum stellt laut Bundesarbeitsgericht die äußerste zeitliche Grenze dar, innerhalb derer eine Schwangerschaft vorliegen kann. Soweit die Mitteilungsfrist unverschuldet versäumt worden sei, müsse dies unverzüglich beim Arbeitgeber nachgeholt werden.
Der in der StVO verankerte Grundsatz "rechts vor links" gilt auf öffentlichen Parkplätzen nur dann, wenn die Fahrbahnen eindeutig Straßencharakter haben. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass sich die auf die zügige Abwicklung des fließenden Verkehrs abzielende Vorfahrtsregel regelmäßig nicht auf die Situation auf Parkflächen übertragen lässt.
Zum 1.1.2023 treten einige Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht in Kraft. Praktisch besonders relevant ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer müssen ab Jahresbeginn nach § 5 Abs. 1a EFZG grds. keinen "gelben Schein" mehr bei ihrem Arbeitgeber einreichen. Die Arbeitsunfähigkeitsdaten übermittelt vielmehr der Arzt elektronisch an die Krankenkasse. Aus den Daten wird eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung generiert. Diese kann der Arbeitgeber dann automatisiert bei der zuständigen Krankenkasse abrufen.
Urlaub verjährt nicht automatisch nach drei Jahren. Dies gilt zumindest dann, wenn die Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nicht rechtzeitig auffordern, den ihnen zustehenden Urlaub zu nehmen und sie nicht vor einer drohenden Verjährung warnen, entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil, dass unionsrechtlichen Vorgaben folgt.
Fahren zwei Personen auf einem E-Scooter und hält sich der absolut fahruntüchtige Sozius mit am Lenker fest, begeht er eine Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB. Dies hat das Landgericht Oldenburg entschieden und einen vorläufigen Fahrerlaubnisentzug bestätigt. Auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter sei die absolute Fahruntüchtigkeit ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille anzunehmen.
Wer seine Mietrückstände innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage begleicht, erreicht damit nur, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam wird. Der Bundesgerichtshof sieht auch weiterhin keinen Grund, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen und die Wirkungen einer Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung auszudehnen. Dafür spreche, dass entsprechende Gesetzesvorhaben vom Gesetzgeber nicht weiter verfolgt wurden.
Ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer, der aus einem Corona-Risikogebiet zurückgekehrt war, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände erteilt hatte, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den damaligen verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Quarantäne unterlag, muss wegen Annahmeverzugs die Arbeitsvergütung zahlen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Eine Vermieterin verklagte die Mieterin ihrer Wohnung auf Zahlung von 221 Euro für Miete und Wartung eines Rauchmelders. Kosten, die im Zusammenhang mit Rauchwarnmeldern entstehen, waren im Mietvertrag nicht ausdrücklich angegeben. Die Eigentümerin war vertraglich aber berechtigt, für zukünftige Abrechnungszeiträume zusätzlich zu den Betriebskosten "auch solche [...] nach Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung [...] auf den Mieter umzulegen und mit diesem abzurechnen, die derzeit nicht anfallen, aber später entstehen oder zukünftig vom Gesetzgeber neu eingeführt werden." Im Oktober 2015 kündigte sie an, alle Wohnungen mit Rauchwarnmeldern auszustatten, und teilte die künftig voraussichtlich anfallenden Kosten für deren Miete und Wartung mit. In den Betriebskostenabrechnungen ab 2016 entfielen auf die Bewohnerin 9,74 Euro und in einem weiteren Jahr 9,88 Euro. Sie weigerte sich, zu zahlen. Während die Klage beim AG Bergheim nur teilweise scheiterte, schlug sie beim LG Köln gänzlich fehl, da die Mietkosten für Rauchwarnmelder nicht umlagefähig seien. Dagegen legte die Vermieterin Revision beim BGH ein – vorerst mit Erfolg.
Eine Vermieterin erhöhte die Miete für eine rund 70 qm große Wohnung in Nürnberg zum 01.01.2019 um knapp 65 Euro monatlich. Sie stützte ihr Verlangen auf den Mietspiegel 2018 und auf bestimmte Wohnmerkmale. Die beiden Mieter mochten dem nicht zustimmen. Vor dem Amtsgericht Nürnberg ließ die Eigentümerin Merkmale, die den Wohnwert erhöhen, außer Acht und minderte ihr Erhöhungsverlangen um rund 20 Euro monatlich. Ihrer Zustimmungsklage wurde stattgegeben, diese Entscheidung hielt auch vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Die Mieter wandten sich nun an den Bundesgerichtshof, weil sie der Ansicht waren, dass die Eigentümerin ihre Forderung vor Gericht nicht einfach hätte reduzieren dürfen. Vielmehr hätte sie erst einmal vorgerichtlich ein neues Mieterhöhungsverlangen - das dann erst später gegolten hätte - in der korrekten Höhe in Gang setzen müssen.
Mit Wirkung vom 01.01.2022 ist nunmehr erstmals ein qualifizierter Mietspiegel für die Stadt Laupheim einschließlich der Ortsteile geschaffen worden. Die vorher geführte leidige Diskussion, ob der Mietspiegel der Stadt Biberach auch für Laupheim und seine Ortsteile Anwendung finden kann, ist damit Vergangenheit. Nachdem es sich zudem um einen nach wissenschaftlichen Standards erstellten Mietspiegel handelt, ist davon auszugehen, dass Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete nunmehr auch in einem gerichtlichen Klageverfahren erfolgreich durchgesetzt werden können.
Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 4. Mai 2022.
Eine Halterin eines Autos verlangte von einem Lkw-Fahrer Ersatz weiteren Sachschadens nach einem Verkehrsunfall. Der Wagen war auf der rechten Fahrbahn einer zunächst zweispurigen Straße in Hamburg gefahren, der Laster fuhr daneben auf dem linken Fahrstreifen. Nach einer Ampel folgten noch fünf Markierungen zwischen den beiden Fahrstreifen, dann kam das Symbol der beidseitigen Fahrbahnverengung (Gefahrenzeichen 120: "Verengte Fahrbahn"). Der Beklagte zog mit seinem Wagen nach rechts und kollidierte mit dem Pkw der Klägerin, den er nicht gesehen hatte. Den Schaden regulierte seine Versicherung vorgerichtlich auf Grundlage einer hälftigen Haftungsquote. Sowohl das AG Hamburg-Harburg als das dortige LG entschieden ebenfalls auf Basis einer hälftige Schadensteilung. Im Bereich einer beidseitigen Fahrbahnverengung gelte nur das Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme (§ 1 StVO). Der Fahrerin falle ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht zur Last, weil sie von einer nicht gegebenen Vorfahrtberechtigung ausgegangen sei und darauf vertraut habe, dass der Lkw-Fahrer sich hinter ihr einordnen werde. Dieser habe gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen, weil er die Fahrbahnverengung nicht aufmerksam genug befahren und deshalb das andere Auto nicht gesehen habe. Dagegen legte die Klägerin beim BGH die Revision ein – ohne Erfolg (VI ZR 47/21).
Behörden dürfen keinen Einblick in Patientenakten nehmen, um zu kontrollieren, ob Ärzte zu Unrecht Medikamente verschreiben, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht gestern am Nachmittag entschieden. Dies betrifft etwa das manchen Kindern verordnete Ritalin. Erlaubt sei dagegen eine Überprüfung der ausgestellten Rezepte. Die Leipziger Richter gaben allerdings zu bedenken, dass eine Erweiterung der Befugnisse durch den Gesetzgeber angebracht sein könnte.
Ein Aufhebungsvertrag kann unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein.
Die Haftung eines Arbeitgebers nach einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist verschuldensunabhängig. Das Bundesarbeitsgericht stellte weiter klar, dass ein Gericht bei Bejahen einer Diskriminierung nicht von einer Entschädigung absehen darf. Das widerspreche ganz eindeutig der Funktion des § 15 Abs. 2 AGG, der nicht nur eine Genugtuung der geschädigten Person vorsehe, sondern auch Arbeitgeber dazu anhalten wolle, in Zukunft jegliche Benachteiligung zu vermeiden.
Das LArbG Stuttgart ist der Auffassung, die Klägerin habe in einer Anzeige die Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 18.11.2020 mit dem „Ermächtigungsgesetz“ vom 23.03.1933 gleichgesetzt. Hierdurch habe sie gegen ihre Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen des beklagten Landes verstoßen, insbesondere gegen die Pflicht, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen (§ 3 Abs. 1 S. 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (Az: 10 Sa 66/21).
1. Das Vorrecht gemäß § 20 Abs. 5 StVO besteht nur unter den Voraussetzungen einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Anzeige gegenüber dem ansonsten fortbestehenden Vorrang des fließenden Verkehrs.2. Die Beweislast für die Inanspruchnahme eines Vorrechts der Straßenverkehrsordnung trägt derjenige, der sich auf es beruft. Erst wenn der Fahrer eines an einer Haltestelle haltenden Linienbusses bewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme seines Vorrechts vorgelegen haben, entfällt der Vorrang des fließenden Verkehrs und mit ihm der Anscheinsbeweis, der auf einen Verstoß gegen die in § 10 StVO normierten Sorgfaltsanforderungen schließen lässt (entgegen KG, Beschl. v. 24.07.2008 - 12 U 142/07 und KG, Beschl. v. 01.11.2018 - 22 U 128/17 sowie LG Saarbrücken, Urt. v. 05.04.2012 - 13 S 209/11 Rn. 13).
Vor dem ArbG Düsseldorf ist über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung des Leiters des Gesundheitsamtes durch die Stadt Düsseldorf entschieden worden.